Ortschronik Klein-Harras

Frühgeschichte/Siedlungsgeschichte

1179 wurde Harroze (mhd. Har-roze, „Flachsröste“, auch Sumpfwasser) anläßlich einer Schenkung erstmals erwähnt. Zur gleichen Zeit schien der Name Tiemental, auch Diemtal Neusiedl, auf. Dieser verschwundene Ort trägt seit 1547 die Bezeichnung öd Neusiedl. Die Neusiedler mußten trotz ihres tiefen Brunnens das Dorf wegen Wassermangels verlassen. Vermutungen zu folge, siedelten sich die meisten Einwohner im Gebiet des heutigen Klein-Harras an.

 

Landesherrschaft, Grundherren, Burgen/Schlösser

1217 wurde Harroze durch Herzog Leopold VI an das Stift Klosterneuburg verliehen. Somit stand Harras bis 1400 im Einflußbereich dieses Stiftes.

Zwischen 1786-1837 zählte Klein-Harras 400 Einwohner, 71 Häuser, 69 Schulkinder. Von diesen 71 Häusern waren 56 dem Stift Klosterneuburg, 13 dem Herrn Josef Gotthart, Ritter von Schwandner, und 2 dem Stifte Schotten untertänig.

 

Kirche

1821 wurde eine Kapelle erbaut, die am 9.11.1824 durch Dechant Philipp Alois Mayerhofer eingeweiht wurde.

25.7.1833 fand die Einweihung des Friedhofes statt.

1888 Orgelweihe (4 Register, 249 Pfeifen)

1889 Erste Auferstehungsprozession in Klein-Harras

1890 Erste Fronleichnamsprozession in Klein-Harras am 8. Juni

1896 Glockenweihe der drei neuen Glocken mit eisernem Glockenstuhl am 16. April.

1917 Herabnahme der Glocken für Kriegszwecke (3 Glocken und Schulglocke)

1919 Weihe von 3 neuen Glocken am 7.9. und eines neuen Hochaltares für die Kapelle mit einem wertvollen Christus aus einem Stück Elfenbein geschnitzt.

1924 Am 9. November fand die 100 Jahrfeier der alten Kapelle statt.

1936 Baubeginn und Grundsteinlegung zum Bau einer neuen Kirche. Gemeindebewohner zeichneten einen Betrag von S 32.000.

1937 Ab Mitte März Fortsetzung des Kirchenbaues. Vollendung Ende Juni. Am 4. April Weihe von 3 neuen Glocken. Am 24. Juli fand die Weihe der neuerbauten Kirche durch Seine Eminenz, den Kardinal von Wien, Dr. Theodor Innitzer statt. 22 geistliche Herren waren anwesend. Gesamtkosten des Baues: S 68.000. Am 2. November Abbau der alten Kapelle aus dem Jahre 1821.

1942 Abnahme der 4 Glocken für Kriegszwecke

1944 Klein-Harras wurde am 1. April zur selbständigen Pfarre ernannt.

 

Tradition, Brauchtum, Vereine

1892 Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Klein-Harras (35 Mitglieder) im Jänner. Gründung eines landwirtschaftlichen Kasinos (Milchgenossenschaft) am 27. Dezember.

1909 Gründung des Militärveteranen Vereins

1928 Gründung eines Männergesangsvereins mit dem Titel: „Musik und Gesangverein Klein-Harras“

1934 Gründung des Musikvereins Klein-Harras

1972 Am 18.11. erfolgte die Gründung des Sportvereins Klein-Harras.

1985 am 18.5. erfolgte die Gründung des Umweltschutz- und Verschönerungsverein Klein-Harras.

  

Schulen

1837 Erbauung der Schule durch Kaspar Auberger.

1892 wurde ein Zubau zur Schule getätigt.

1966 Am 22.5. wurde die Auflassung der Volksschule Klein-Harras bekanntgegeben. Die Kinder mußten daher ab dem Schuljahr 1966/67 die Volksschule in Martinsdorf besuchen.

 

Seuchen, Spitalsentwicklung

1679 grassierte die Pest.

1832 brach die Cholera aus und fordert 9 Todesopfer.

1834 wütete das Nervenfieber, dem 14 Personen zum Opfer fallen.

1849 Im Frühjahr brach die Kinderkrankheit „Brein“= (Diphtherie) ausund forderte in wenigen Tagen 31 Tote. Nach der Ernte wütete wieder die Cholera und forderte in wenigen Tagen 35 Personen.

1866 brach die Cholera erneut aus.

1918Starkes Auftreten der spanischen Grippe vom 19. Oktober bis 5. November.

 

Wirtschaft, Persönlichkeiten

1886 nahmen einige Bauern das Wagnis auf sich, den neu eingeführten Kunstdünger zu streuen; es hatte sich zwar gelohnt, dennoch standen 1891 viele dem Plan, den erstmals auftretenden Mehltau mit Kupfervitriol und Kalk zu bekämpfen, skeptisch gegenüber.

1896 Das „amtlich konstatierte“ Auftreten der Reblaus rief wiederum Bestürzung bei der Bevölkerung hervor.

1911 Eröffnung der Lokalbahn Pirawarth - Zistersdorf am 15. Juli (Halte- und Verladestelle in Klein-Harras).

1947 Preise in Schilling (1q = 100kg)

Produkt

Friedenspreis

amtl. Preise

Schleichhandel

1 q Weizen

30

52

600 - 1000

1 q Roggen

22

48

400 - 600

1 q Kartoffel

5

30

300 - 400

1 kg Roggenmehl

0,30

0,92

5,50 - 7,50

1 kg Weizenmehl

0,46

1,60

15 - 20

1 kg Rindfleisch

4 - 5

5,80 - 15

35 - 40

1 kg Schweinefleisch

5 - 6

5,50 - 16

70 - 100

1 l Milch

0,22

0,76

2 - 6

1 l Wein

1

2,20

20 - 40

1 kg Butter

4 - 5

10,20 - 12,20

100 - 150

1 Herrenanzug

100 - 200

500 - 600

1200 - 2000

1 Paar Schuhe

15 - 24

50 -60

300 - 500

1 Herrenhemd

10 - 15

20 - 30

200 - 250

1958 Eröffnung der Tiefkühlanlage.

1973 In diesem Jahr wurden 1890 Hektoliter Wein gebaut. Die Eröffnung des neuen Gasthauses erfolgte am 9.11.1973.

1976 Eine in diesem Jahr durchgeführte Statistik zeigte, daß es in Klein-Harras 52 Weinbaubetriebe gab. Diese produzierten 199.142 l Wein.

 

Kriege, Weltkriege

1809 zogen die Franzosen plündernd und brandschatzend durch die Gegend.

1866 marschierten die Preußen in unseren Ort ein. Die 2500 Mann verlangten volle Verpflegung. Die Gemeinde mußte 19 Kühe, 21 Schafe und 70 Eimer Wein liefern. Als im selben Jahr die Cholera ausbrach (45 Personen starben), zogen die Feinde ab. Drei von ihnen waren an der Seuche gestorben und wurden in unserem Friedhof begraben.

1918 Ende des Weltkrieges am 28. Oktober. Gefallen sind 25 Personen.

1921 Enthüllung des Kriegerdenkmales am 16. Mai. Auf dem Stein sind 25 Opfer des 1. Weltkrieges in Goldbuchstaben eingraviert (Kosten 6000 Kronen).

1945 Vom 11. Bis 13. April tobte um Klein-Harras eine Panzerschlacht. Am 14. April wird unser Ort durch russische Truppen besetzt.

Die Schreckenstage von Klein-Harras am Ende des 2. Weltkrieges (Oberlehrer Nikendei - Schulchronik):

„Die Rote Armee hat Ende März 1945 die Grenze Niederösterreichs, die March, erreicht und sie überschritten. Der Donner der Geschütze ist schon zu hören, und der nächtliche Himmel ist vom Feuerschein erhellt. Am Ostersonntag und -montag (1. u. 2. April) wird an Schützen­gräben und Panzersperren gearbeitet. Aber was nützt dies alles: Der Feind rückt immer näher. Die Bewohner sind fieberhaft an der Arbeit , Lebensmittel, Kleider, Schmuck, Wein, etc. zu vergraben und die Weinkeller zum Aufenthalt herzurichten oder sich für die Flucht in den Wald vorzubereiten. Am 9. April sind die ersten, vor den Russen zurückweichenden, deut­sche Soldaten zu sehen. Sie gehen hier in Stellung, um sich den Russen entgegenzustellen, auch eine deutsche Panzerabteilung ist aufgefahren. Schon tobt eine heftige Schlacht um Hohenruppersdorf. Am 11. April flüchten die Bewohner in die Weinkeller, um hier die Schreckenstage zu überleben. Nun entwickelte sich eine dreitägige erbitterte Panzerschlacht und heftige Luftkämpfe um Klein-Harras. Die, am Freitag, dem 13.4. gegen Abend einsetzen­den Stalinorgeln aus Richtung Matzen zwang die Deutschen zum Rückzug. Es war, als wenn die Hölle los wäre. Klein-Harras ist in ein Flammenmeer gehüllt. Am Samstag, dem 14.4., besetzten die Russen unseren Ort. Es war 3 Uhr früh. Als wir aus den Kellern kamen, standen wir den Russen gegenüber. - Und nun beginnen für uns, besonders aber für die Mädchen und Frauen, die Schreckenstage. Schändung und Vergewaltigungen Tag für Tag und Nacht für Nacht; Raub und Plünderung stehen auf der Tagesordnung. 90 % der Mädchen und Frauen wurden vergewaltigt, manche bis zu 20 x in einer Nacht. Diese Greueltaten in diesen Tagen und durch Wochen hindurch zu schildern ist nicht möglich, man muß sie selbst erlebt haben. - Am 18.4. kam ein russischer Kommissar. Die Einwohner mußten sich vor dem Gemeindegast­haus versammeln. Hier verkündete uns der Kommissar die „Befreiung Österreichs“ durch die siegreiche Rote Armee. Es wurde ein Bürgermeister, „Starosta“, eingesetzt. Von diesem Tag an gingen wir aus unseren Verstecken, den Weinkellern, in unsere Wohnungen. Aber wie sahen die aus! Es war ein Grauen, dies zu sehen. Einrichtungsgegenstände, Kleider, Wäsche, Lebensmittel, usw., alles lag in einem Durcheinander, eingeschlagene Türen, zertrümmerte Einrichtungsgegenstände, zerrissene Kleider und Wäsche, Unrat und Schmutz, dies war das Bild unserer Wohnungen.

Auch unser Dorf zeigte ein Bild der Verwüstung; große Bombentrichter, herumliegende Tierleichen (Pferde; Kühe und Schweine), niedergerissene Planken und Zäune und ausgebrannte Häuser.- Raub und Plünderungen durch die Russen und später durch Slowaken und Tschechen waren durch mehr als zwei Monate auf der Tagesordnung. Leider wurde diese Zeit auch von einigen gewissenlosen Einwohnern ausgenützt, um im Trüben fischen zu können. An diesen Diebstählen beteiligten sich neben Erwachsenen auch Kinder. Um diesem Übel teilweise Einhalt zu gebieten, wurde eine Ortswache aufgestellt, die oft mit Erfolg, trotz Prügel und Androhung des Erschließens, sich bewährte. Erst nach ungefähr drei Monaten, als die Weinkeller vollständig leer und ausgeplündert waren und das meiste Vieh aus den Ställen geführt war, wurde es allmählich ruhiger im Orte. In dieser Zeit haben sich einige Männer besondere Verdienste um die Sicherheit und das Wohl der Bewohner von Klein-Harras erworben. Oft mußten sie Prügel einstecken oder die „Buschka“ (Gewehr) wurde ihnen öfters vor die Brust gehalten. - In dieser dreitägigen Panzerschlacht um Klein-Harras wurden durch Bomben, Brand oder Stalinorgel folgende Häuser ganz oder zum Großteil zerstört: Nr. 1, 11, 13, 17, 19, 23, 24, 39, 62, 63, 67, 81, 86, 103, 116 und die Gemeindekanzlei; außerdem 18 Stallungen, 17 Scheunen und 4 Preßhäuser. Ferner wurde der gesamte Wein (meist samt Faßgeschirr), der größte Teil an Getreide und Futtermittel geraubt. Auch viele Lebensmittel: Fleisch, Fett, Mehl, Eier, usw. wurden weggenommen. An Viehbestand gingen verloren: 144 Rinder, 44 Pferde, 242 Schweine, 32 Ziegen, 1433 Hühner und 19 Gänse. Dadurch entstand große Not unter der Bevölkerung. Erst ungefähr nach einem Jahr hat sich die Lage etwas gebessert.“